Gartenzwerg

Was bleibt von den angeblich ach so deutschen Tugenden, wenn uns Bauprojekte wie die Hamburger Elphi oder der Berliner Flughafen die Pünktlichkeit verhageln? Auch andere Skandale trüben das Bild der deutschen Gründlichkeit und Qualitätsarbeit. Danke VW. In Wahlkampfzeiten und angesichts der Flüchtlings- und Integrationspolitik fällt unserem Innenminister ein, man könne doch wieder einmal eine Leitkulturdebatte vertragen. Bloß keine europäische oder gar globale Wertedebatte, nein, wir deutschtümeln fleißig und faseln etwas vom Handschlag zur Begrüßung und dem Leistungsgedanken, der dem Bildungssystem jegliche Chance nimmt, die soziale Ungleichheit zu verringern. Integration und Inklusion erleichtert dieser Gedanke übrigens auch nicht. Über den Burka-Satz fahre ich gedanklich mit dem Rotstift, versehe ihn mit einem G für Grammatik und einem B für Bullshit oder Blödsinn. Ein derartig enger Leitkulturbegriff bewegt sich bereits zwischen Patriotismus und Nationalismus.

Es bleibt aber eine Konstante in Bezug auf deutsche Stereotype, die mich seit vielen Jahren begleitet:

Der Gartenzwerg

"You are a German, you need a garden gnome!"

"No, I don't. They are tacky.

"Go, get one!"

Das musste ich mir von einer kanadischen Freundin anhören, welche eine einjährige Suche auf deutschen Flohmärkten auslöste; the gnome quest, die große Suche. Das Exemplar, mit dem ich leben kann, misst keine zehn Zentimeter und ist oben zu sehen. Der Gartenzwerg bewegt sich - wie die Leitkulturdebatte - stets an der Grenze des guten Geschmacks. Er verkörpert den Kitsch. Er ist in all seinen Variationen abscheulich, unnötig und typisch deutsch. Aber ist er das wirklich? Ich wurde schon Zeuge von schottischen und französischen Gartenzwergarrangements. Ist er etwa der wahre Europäer, der Vertreter der kulturellen Moderne[1]. Der Weltbürger wie in der fabelhaften Welt der Amélie?

Heute erzählte mir Tara, eine weitere kanadische Freundin, sie solle sich wegen ihrer deutschen Wurzeln nun im neuen Garten in Vancouver einen Gartenzwerg aufstellen. Dazu wird sie genötigt. The saga continues. Wir gehen in die zweite Runde.
Da sich Tara mit Kartografie und GIS (Geographic Information Systems) beschäftigt, wir beide mit Python experimentieren und (demnächst) beide Gartenzwerge besitzen, liegt diese Kopfgeburt einer Idee nahe:
Wir wollen die Gartenzwergpopulation weltweit erfassen und kartografieren. Vielleicht wird es ein Kitsch-Rating geben. Vielleicht nutzen wir Open Map Data. Vielleicht gibt es eine App dafür. Vielleicht ist das ganze Vorhaben so sinnlos wie die deutsch Leitkulturdebatte. Aber die gibt es ja auch alle paar Jahre wieder.

Mögliche Hashtags: #gnomequest, #mapagnome, #mappagnome, #gnome-like, #happygnomapping

Wirklich sinnvolle Projekte zur Erfassung von Daten


  1. mehr dazu bei Jürgen Habermas und Bassam Tibi ↩︎

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