In jedem, wirklich jedem Jahr dieser unendlichen Textmasse an Verbalbeurteilungen formuliere ich heimlich Zeugnisse im Kopf, wie ich sie gerne schreiben würde:
Ludwig ist ein herzensguter Kerl, leider auch Meister im Klugschnacken vom Spielfeldrand. Könnte er sich nur einmal an die verdammten Gesprächsregeln halten, wäre seinem Umfeld, allen voran seiner Lehrerin, wirklich sehr geholfen.
Oder so ähnlich. Jedenfalls sitze ich mindestens drei Stunden an jedem Zeugnis und starre zwischendurch die Wand an. Sind sie fertig geschrieben, tausendmal gesichert, von der Chefität und mir unterschrieben, kopiert und ausgegeben, bin ich meist hochzufrieden (die Kinder und Eltern hoffentlich auch); aber der Schreibprozess ist mindestens so erbaulich wie die zweite Examensarbeit. Meh.
In diesem Jahr konnten mich aber zwei Dinge aufheitern. Erstens die E-Mail-Korrespondenz mit einer Kollegin, die ebenfalls texten musste:
Frau Hmpf kommt meist fröhlich und gut gelaunt in die Schule. Sie ist ins Kollegium gut integriert, wenn sie auch am liebsten mit ausgewählten Partnern und Freunden zusammenarbeitet. Auch in Stresssituationen beweist sie ihren Sinn für Humor. Aufgaben nimmt sie meist zügig auf, verfranst sich dann aber dermaßen in nichtigen Details, dass sie ihre Fristen oftmals nur kapp oder gar nicht einhält. Als Meisterin der Prokrastination schreibt sie sogar absonderliche E-Mails und lenkt ihre Kollegin von der Arbeit ab. Ihre Leistungsbereitschaft ist besonders ausgeprägt, das Leistungsvermögen jedoch äußerst wechselhaft. Sie muss noch lernen, ihren Arbeitsplatz zu organisieren.
Zum Zweiten habe ich die Charakterstudien der Kinder, die mich verlassen die ich in die dritte Klasse schicke, in Comicform gebracht:
... schafft sehr, sehr viel in wenigen Minuten. Oder anders herum.
So wollte ich das immer schon mal schreiben. Zumindest zum Abschied.